Es ist Freitag. Wir versuchen diesmal gar nicht den Bus zu bekommen. Wir laufen lieber. Mich freut das, denn die Strecke vom Haus bis zum Bahnhof mag ist.
Der Tag verläuft wie die Tage zuvor. Wir gehen in den Unterricht und helfen.
Ich bin auch wieder in der fünften Klasse. Heute schreiben sie einen Test über die Zahlen und Gegenstände. Wir teilen die Zettel aus und ich wünsch meinen drei Zigeunerkindern innerlich alles Gute und viel Glück für den Test.
Während sie schreiben beobachte ich sie. Man kann ihnen ansehen, dass sie Probleme haben. Während die slowakischen Kinder eins nach dem anderen die Zettel abgeben sitzen die drei immer noch über ihren Arbeiten.
Die Zeit ist vorbei und wir bekommen die Arbeiten. Wir sollen korrigieren. Ich nehme mir die Arbeiten der drei und schau sie nach. Als ich die Arbeit von Vladi sehe kann ich meinen Augen kaum trauen. Die Seite mit den Gegenständen ist leer. Er wusste keine einzige Vokabel. Doch als meine Augen auf die Seite der Zahlen blicken möchte ich am liebsten losjubeln. Es steht überall die richtige Vokabel. Zwar sind die meisten Zahlen falsch geschrieben, aber er wusste die Zahlen noch einigermaßen.
Das war für mich die Bestätigung. Diese Kinder brauchen Zeit und Geduld. Dann können sie auch etwas schaffen.
Trotzdem fallen die Arbeiten von allen dreien nicht sehr gut aus.
Eine drei und zwei mal vier. Die slowakischen Kinder haben alle eine eins. Zwei jungen haben eine zwei.
Der Unterricht geht weiter und ich die Lehrerin teilt Arbeitsblätter aus.Wieder setz ich mich zu den Zigeunern und helfe ihnen. Die Verständigung fällt schwer aber irgendwie geht es doch. Ich war zu Frieden mit der Stunde und habe mich gefreut, doch dann werde ich Zeuge von einer Auseinandersetzung, die mich zu tiefst geschockt hat.
Terezia ( ein Zigeunermädchen) hat aus ihrer vier eine drei gemacht. Sie wollte die Lehrerin anlügen. Ohne zuzögen hebt Silvia, die Englischlehrerin, ihre Hand und schlägt auf das Kind ein. So wie das kleine hilflose Mädchen ihren Kopf einzieht waren es nicht die ersten Schläge, die sie bekommen hat. Nach zwei Schlägen und einem für mich heftig klingenden Zusammenschiss lässt die Lehrerin von ihr ab.
Ich such den Blick zu Terezia. Ich fühl mich unheimlich hilflos in dieser Situation und weiß nicht was ich machen soll.
Irgendwie versuche ich ihr mit meinen Blicken klar zu machen, dass sie mir Leid tut. Ich würde sie gerne einfach in den Arm nehmen und sie trösten. Doch irgendwas in mir hindert mich.
Das Mädchen selbst scheint die Schläge schnell zu verdrängen. Sie lächelt mich kurz darauf wieder an.
Im Lehrerzimmer frage ich, was sie falsch gemacht hat und warum sie geschlagen wurde.
Die Lehrerin schildert mir die Situation und gibt mit einem müden lächeln Preis, dass es eigentlich verboten ist die Kinder zu schlagen.
Damit ist für mich der Tag gelaufen.
In meiner letzten Stunde unterhalte ich mich mit Zuzka. Wir reden über die Zigeuner. Bis jetzt haben alle Slowaken, mit denen ich über die Roma gesprochen habe ein skeptisches Bild ihnen gegenüber.
Ich kann es ein stückweit nachvollziehen.
Zuzka erzählt mir, dass die Roma sehr viel Geld vom Staat bekommen. Deswegen wollen sie nicht arbeiten gehen. Ihnen gefällt ihr Leben und sie empfinden keinen Zwang ihr Leben zu ändern, weil sie alles bezahlt bekommen.
Zuzka erzählt mir auch, dass die Schule den Kindern immer wieder Sachen mitgibt, doch die Romas wissen das nicht zu schätzen und gehen damit sehr schlecht um. Sie schmeißen die Kleidung weg und tragen sie nicht. Trotzdem weiß Zuzka auch, dass sich alle Romas so sind.
Ich für mich schraube meine Ansprüche immer mehr nach unten.
Bereits nach drei Tagen weiß ich, dass die Probleme zwischen den Slowaken und den Romas viel zu groß sind, als dass sie von einem Freiwilligen gelöst werden können.
Aber ich habe mir neue Ziele gesetzt.
Ich möchte den Kindern in der Schule ein bisschen mehr Freude in den tristen Schulalltag bringen. Ich will, dass sie ihren Kindern mit auf den Weg geben, dass Schule etwas schönes und wichtiges ist. Und ich will in Erinnerung bleiben.
Sonntag, 20. September 2009
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